HANSUELI STETTLER

Medizinische Problemeelektrosmog im strassenverkehr

Eine Wissenslücke, die es zu schliessen gilt

Das Wissen über Effekte der in unserem Lebensraum vorhandenen elektromagnetischen Felder ist in der Bevölkerung nicht sehr verbreitet. Hochspannungsleitungen führen unter anderem zu Krebs (IARC, 2001). Noch weniger weiss man als Laie über die mittlerweile äusserst stark verbreitete hochfrequente Strahlung. Ein Schulfach dazu gibt es leider noch nicht...

Die Behörden wie BAG und BAKOM informieren uns nicht umfassend genug, sie sind auch heute noch befangen - als Eigentümer von Funkbetreibern wie der Swisscom, der SBB und des Polycom-Systems; bei Hochspannungsleitungen auch die Kantone als Aktionäre der Stromerzeuger und eine grosse Zahl der in das System integrierten lokalen Stromnetzbetreiber. Die Behörden sind entweder nicht informiert, wollen sich nicht informieren, und führen Scheinargumente (ein Auto sei ein faraday'scher Käfig ohne Strahlungseinflüsse in der Kabine) ins Feld, wie es der BAG-Chef Paul Steffen hier als Antwort auf meine Eingabe der  vorliegenden Studie an alle Bundesämter tat.  Denkbar ist leider auch, dass sie ihr kritisches Wissen nicht nutzen dürfen - und werden gerne von uninformierten, aber prominenten Leuten wie der ehemaligen Bundesrätin Leuthard noch genasführt...  Die Swissgrid als nationale Stromnetzbetreiberin sorgt zudem mit einem umfangreichen (27 köpfigen, Januar 17)  Verwaltungsrat, dass alle Regionen etwas involviert sind und ein bisschen mitreden dürfen....

Weiterlesen: Elektrosmog im Verkehr – eine stark unterschätzte Unfallursache

Ausgehend von langjährigen Fallbeobachtungen wurden die Kriterien zur Dokumentation in einer umfassenden Erhebung definiert. Es werden Unfälle im Schweizer Strassennetz analysiert und einheitlich dokumentiert. Um Artefakte auszuschliessen, wird als Informationsquelle nur auf die polizeilich erstellten, öffentlich zugänglichen Rapporte abgestützt. Die Unfallaufnahme ist generell schweizweit einheitlich und nach Vorgaben durch das ASTRA organisiert. Es kann auch ausgeschlossen werden, dass durch die Selektion via Polizeimeldungen ein spezifischer Filter hinzu kommt, weil hunderte Polizisten und dutzende polizeiliche Medienverantwortliche täglich nach ihren jeweiligen Kriterien eine Mischung von Unfallberichten erstellen. Da das Thema der „älteren Fahrer“ gesellschaftlich einigermassen thematisiert ist, werden solche Unfälle sicher nicht stärker ausgeschieden als andere.

Methode der Kumulation von detailliert analysierten und aus umweltökologischer Sicht erklärten Unfällen, in den drei Sektoren:

  • Altersfahrer (70+)
  • Unfall mit medizinischer Ursache (polizeilich definiert, auch Sekundenschlaf, Absenz)
  • Berufsfahrer (Lenker von LKW, Busse des ÖV, Schiffsführer)

Und als Kontrollgruppe die Gegenüberstellung mit dem Unfallgeschehen mit den gleichen Erhebungstools:

  • 2 Wochen CH-Unfallmeldungen der Kantonspolizeien.

Es wird somit eine systematische und sehr umfassende Einzelfall-Analyse vorgenommen.

Ein Dokument pro Unfallereignis zeigt die an der Unfallstelle vorhandenen Hochspannungsleitungen (elektromagnetische) und Funksender (hochfrequente) Felder. Dieses Dokument wird mit der BAKOM-Karte und Google-Earth sowie Google Street View ergänzt. Die Bakom-Karte dient der Zuordnung der Anlagen und Distanzen, Google Street View dem Erkenntnisgewinn über die Art der vorher zurückgelegten Strecke und der Frage des Vorhandenseins von Antennen (viele nicht vermerkte Standorte von Polycom und Betriebsfunk-Anlagen) und deren Senderichtungen. Google Earth zeigt – wie in den Polizeirapporten – die Unfallentstehung im Gelände.

Die Abschätzung, wie relevant die Summierung dieser Einzelfälle für die gewählten Kategorien ist, wird anhand der analogen Kontrollgruppen-Analyse (143 Unfälle vom 14.5.-28.5.2016) vorgenommen.

Die Verhältnisse beim Auftreffen von Funkstrahlung auf den Boden entspricht etwa der folgenden Darstellung:Strahlungsbild Sender. Hauptstrahl nach 150 250 m auf Boden auftreffend

Bild: BAKOM.    

Die für den Empfang von Funksignalen gewünschte hohe Strahlung befindet sich in einem Bereich von 150 bis 450 m.

Je nach Senderleistung und Distanz zum Sender sind ebenso hohe lokale Belastungen bei sogenannten Mikrozellen möglich:

Kleinsender im Strassenraum

Bild:  Bakom

Wenn der Sender aufgrund topografischer Verhältnisse (z.B. ansteigende Strassen) waagrecht in ein Fahrzeug strahlt, steigt dort die vom Körper absorbierte Strahlung stark an. Aus diesem Grund wird jeder erfasste Unfall mit einer eindeutigen Senderzuordnung im Unfallareal und den zugehörigen Sender-Fotos dokumentiert.

Ein direkter Nachweis einer spontanen Wirkung von elektromagnetischen Feldern ist zurzeit noch schwierig

  • Es sind an jeder untersuchten Unfallstelle jeweils tausende Verkehrsteilnehmer gefahren, ohne einen Unfall erlitten zu haben.
  • Ein Aufsuchen von Unfallschwerpunkten aufgrund der Unfallkarte, die Unfälle seit 2011 listet, ist aufgrund der geringen lokalen Fallzahlen erst in wenigen Fällen erfolgreich.
  • Es besteht zudem keine Analyse von Fahrerkategorien in Bezug auf die interessierenden Einflüsse von Funk- und elektromagnetischen Feldern.
  • Unfälle, die als Ausserordentliche Todesfälle (AOT) eingestuft wurden, fallen sogar komplett aus den lokalisierenden polizeilichen und ASTRA-Statistiken.
  • Persönliche Daten sind geschützt, eine individuelle Beurteilung der medizinischen Voraussetzungen ist in der Regel nicht möglich. (Eine Ausnahme ist stellt der verunglückte belgische Chauffeur von Siders dar, seine medikamentöse Behandlung (Paracetamol enthaltendes Herzmedikament, mögliche Nebenwirkung: Schwindel) ist öffentlich geworden.

Die Definition von Risikogebieten ist erschwert

  • Es existiert keine öffentlich zugängliche Karte mit geometrisch erkennbaren Belastungswinkeln von Funksendern.
  • Funksender sind abhängig von ihrem direkten, aber auch vom reflektierten Einstrahlwinkel wirksam. Die „Senderstärke“ gemäss BAKOM ist unter Umständen eher sekundär.
  • Es existiert keine öffentlich zugängliche Karte mit dem Netz der Hochspannungs-Übertragungsleitungen. Die im zugänglichen amtlichen Geosystem vermerkten Leitungen sind nach meiner Einschätzung nur etwa die Hälfte der wirksamen Leitungen. Mit google street-view werden die übrigen – auch in ihrer entscheidenden Nähe zum Boden - meist sichtbar.

Unterschätzung des Effekts aus Elektrosmg

Die kontinuierliche Verbesserung der Fahrzeuge und der Ausbildung, die verschärften Kontrollen und Sanktionen, die sozialen Veränderungen (Integration von Migranten über die Jahre) führen ihrerseits zu einer kontinuierlichen Abnahme von Unfällen im Strassenverkehr.

Niemand kann allerdings beziffern, welche Verbesserungen wir erreicht hätten, wenn nicht in den letzten 15 Jahren 16.000 Sendeanlagen mit vorsichtig geschätzten 80.000 Sendern aller Leistungskategorien dazugekommen wären.

Niemand kann heute belegen, dass im Rahmen des immer hektischeren europäischen Stromhandels die Phasenoptimierung der Hochspannungs-Leitungen immer sauber eingestellt wird – nicht phasen-optimierte Trassen haben ein sehr viel stärkeres gesundheitsschädliches Magnetfeld, also einen grösseren Effekt auf Menschen, die darunter zirkulieren.

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Unfälle im Strassenverkehr haben einerseits eine sehr breite, anerkannte Palette von Ursachen, die jeweils durch die polizeiliche Erhebung zuverlässig abgedeckt wird. Trotzdem: es wird vermutlich nur deskriptiv an der Oberfläche gekratzt: wer kann wirklich sagen, warum ein „Missachten des Vortritts“ oder eine „Mangelhafte Bedienung des Fahrzeugs“ wirklich eingetreten ist? Wer kennt die wahren Ursachen eines „medizinischen Grundes“ für eine Leitplankenberührung auf der Autobahn? Wer kennt die Folgen bestimmter Medikationen und - Kombinationen auf die Fahreignung älterer Menschen?

Wer weiss denn, warum eine Rentnerin – wie am 14. Juli 2014 in Kreuzlingen geschehen – direkt in den Tankstellenshop hineinfährt, ohne nach dem Tanken eine Links-Kurve wie immer zu fahren?  Bekannt wird hingegen: sie wartete - bei offenem Fenster - auf ihren Mitfahrer, und eine Antenne in 200m seitlich links, Winkel von 45° bestrahlte sie über längere Zeit.

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Hinweis zur Datenlage

Leider sind mehrere Kantone aufgrund ihrer Meldestruktur und Gesetze nicht umfassend vertreten, andere lieferten dafür meist sehr brauchbare Angaben, einzelne verlangten für die Ergänzung unvollständiger Angaben ein Bearbeitungshonorar. Diese Situation sollte für die Weiterführung der Forschung vereinheitlicht werden.

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Die bisher bearbeiteten - im Sommer 2017 bereits über tausend - Einzelfälle geben in ihrer Gesamtheit sehr wohl ein stimmiges Bild:

Es besteht mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Einfluss von Funksendern auf das Unfallgeschehen.
Dass kein Einfluss bestehen kann, ist sicher falsch.

 

Zum besseren Verständnis werde ich einzelne Fälle auch dokumentieren und nach Möglichkeit mit Filmen illustrieren.

Der erste dargestellte Fall ist ein Unfall auf einer RhB-Haltestelle in Landquart-Ried. Einem jüngeren Mann wird nach dem Lösen des Tickets schwindlig, er stürzt vom schmalen Perron direkt vor den einfahrenden Zug. Der Passagier hat einige hundert  Meter vorher problemlos zurückgelegt. Warum es an dieser Stelle zu einem Schwindelanfall kommen konnte, wird in diesem Video gezeigt: vor dem Billetautomaten herrscht die höchste Strahlung im Areal.

Der zweite Fall betrifft einen Unfall in Necker. Necker ist eine Gegend, in der intensiver Funk faktisch unbekannt ist. Ein Unfall in einer solchen Region an einer übersichtlicher Strecke ist darum speziell geeignet, die These zu prüfen.

Die Darstellung des Ablaufs aus elektro-physiologischer Sicht hier in diesem  Video eine 76-jährige Frau überfährt einen Velofahrer auf einem Fussgängerstreifen, die Verkehrslage vorher ist durchaus übersichtlich.

Umso erstaunlicher dann das Messresultat auf der Fahrt zur Unfallstelle: festgestellt werden intensive Spitzen - auf den letzten 200 m vor dem Unfall:

Leistungsspitzen Necker

Der erste dargestellte peak ist am Beginn der Gerade vor dem Streifen. Kreuz ist Unfallstelle, letzter peak ist auf Höhe Swisscom-Gebäude.

Einen Eindruck der funktechnischen Belastung auf einer ansonsten völlig determinierten und kontrollierten Strecke bekommt man beim Ansehen dieses Films einer Messfahrt durch den Gotthardtunnel. Deutliche Spitzen und lange Perioden mit mässiger Strahlungsbelastung folgen sich im Takt. Bei Filmende, beim Portal Göschenen,  dann die Situation des Unfalls vom 27.1.17, wo ein älterer LKW-Fahrer auf die Gegenspur geriet; lange Schliessung und mehrere Kilometer Stau waren die Folge. Der Fahrer hat problemlos den langen Tunnel durchquert - die Kaskaden von Funksignalen bei der letzten S-Kurve haben ihn möglicherweise so beeinträchtigt, dass er vorübergehend lenkunfähig wurde.



Statistische Ausganglage und Erweiterungsvorschläge

Das ASTRA wertet die Strassenverkehrs-Unfälle periodisch aus, in einer Tabelle, die allerdings erst 2011 startete.

Die dafür verwendeten Kategorien erlauben die einfache Analyse einer wichtigen Risikogruppe – nämlich die älteren Fahrer - nicht. Mit der Zusammenfassung faktisch fast aller Fahrer über 35 Jahren in die Kategorie „Führerscheinalter 16+“ wird eine Differenzierung unmöglich.

Beachtlich ist auch, dass trotz aller Kategorisierung von den im Jahr 2015 erfassten Unfällen 9% unter „Nicht bekannte Ursache“ fielen.

Die bisher vom ASTRA ausgewerteten Kategorien* geben kaum Hinweise auf lenkerspezifische, somatische Voraussetzungen und Reaktionen bei älteren Fahrern.

*u.a.: Zustand des Lenkers (10%) Mangelhafte Bedienung des Fahrzeugs   (5%) Nichtgewähren des Vortritts (16%) Andere Fahrbewegungen (14%) Geschwindigkeit (9%)

Eine extreme Einschränkung der Analysemöglichkeit entsteht aus dem Fakt, dass Herz-Kreislauf-Attacken und Todesfälle im Verkehr nicht wie Unfälle, sondern wie ausserordentliche Todesfälle behandelt werden und somit nicht mehr referenzierbar sind.

Aus diesem Grund scheint eine systematisierte, umfassende Einzelfall-Analyse ein brauchbares Instrument, mehr Licht in die elektro-physikalische Umgebung von Verkehrsunfällen zu bringen.

Eine weitere spannende Aufgabe wäre es, die Anzahl der Unfälle in diesen Kategorien mit einer Periode vor 20 Jahren zu vergleichen; also noch vor dem Aufkommen des Mobilfunks, aber bereits mit dem Internet als Dokumentationsstrang.

Die aktuelle Einzelfall-Analyse wird in den nächsten Monaten vervollständigt und nach weiteren Kriterien ausgewertet.

Eigene Erfahrungen

Die Leserinnen und Leser dieses Beitrags sind herzlich eingeladen, ihre eigenen Erfahrungen einzubringen.
Insbesondere interessiert mich brennend, welche körperlichen Umstände diese Art von Fehlsteuerungen im Verkehr erst möglich machten.

Diskussionsbeiträge sind ausdrücklich erwünscht.


St. Gallen, den 15.6.2016

 

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